Technische
Probleme - mitten in Frankreich
Im Sommer 99 verlegte mein Freund seine Pedro 35 für vier Jahre von Heilbronn in den Canal
du Midi. Geplante Reisezeit etwa 28 Tage inklusive Reserve. Ständig an Bord der "BLACK KAT" waren der Eigner mit seiner Gattin und im Wechsel ein paar Hände für die Leinen und die Arbeit an Deck.
Durch die wochenlange Regenfälle war der Bodensee knapp am Überlaufen und der
Hochrhein führte ein mächtiges Hochwasser zu Tal. Das bedeutete für uns ab Mannheim
mit äußerster Kraft voraus gegen den Strom bis zur Schleuse Kembs/Niffer. Für zwei
kräftige Dieselmaschinen eigentlich kein Problem. Unterwegs wurde allerdings in
Kehl ein kleiner Maschinenservice notwendig, denn ein Gummilager der
Backbordmaschine war hinüber. Wie sich erst später herausstellen sollte, wurde
diese Reparatur von dem dann herbeigerufenen "Fachmann" ziemlich
unprofessionell ausgeführt - für viel Geld!
Die anschließende Weiterfahrt durch die Burgundische Pforte auf dem Canal du
Rhône au Rhin war dann wirklich etwas für "Genießer": 39 Schleusen
(110 Höhenmeter) hinauf zur Scheitelhaltung (340m NN) und anschließend 75
Schleusen (161 Höhenmeter) wieder hinunter in die Doubs.
Es gab kaum Wartezeiten und alles war ganz lustig, wir befuhren Schleusen in allen
Variationen: mit Funk, mit elektrisch, mit Wärter, mit -In, mit Self-Service und mit
Muskelantrieb. Alles nette Leute hier, manchmal gab es sogar ein frisches
Baguette oder Croissant zum Frühstück. Da kann man wirklich nicht meckern. Und
immer ein freundliches "Bonne journée" bei der Ausfahrt.
Beunruhigt durch immer lauter werdende Lastwechsel-Geräusche stellte der Käptn
Tage später bei der Maschinen- und Filterkontrolle Verschleißspuren an der
Bb-Wellenkupplung fest. Eine sofortige genaue Untersuchung ergab, daß die
Bb-Maschine etwas schief stand und nicht mehr mit der Wellenanlage fluchtete -
die Toleranz von 2 Grad war überschritten. Das Tage vorher ausgetauschte
Gummilager hatte die falsche Höhe! Durch die axiale Winkelabweichung sind nun
die Gummi-Elemente in der Kupplung aufgerieben. Aber es sollte noch schlimmer
kommen! Der so genannte Fachmann aus Kehl hatte nicht bemerkt, daß durch die
einseitige Überlastung auch noch zwei weitere Aufhängungen beschädigt waren.
Ein Maschinenträger mit Vibrationsbruch - er war an den Bohrungen der Länge
nach durchgerissen - bei einem anderen Träger alle drei Schrauben abgeschert.
Die Gewindereste steckten bündig im Motorblock fest! Mitten in Frankreich
begann die Urlaubsstimmung nun langsam umzuschlagen, obwohl die Temperaturen
steil nach oben gingen. Auf halbem Weg umkehren oder weiterfahren? Das war nun
die Frage, die uns alle beschäftigte.
Spätestens jetzt machte sich die Investition in ein Boot mit
Doppel-Maschinen-Anlage bezahlt. Über die Saône bis Lyon und weiter auf der
Rhône abwärts liefen wir, nur mit der Stb-Maschine ausreichend motorisiert,
verschiedene Marinas an. Immer auf der Suche nach einer anständigen Bootswerft
mit Maschinenservice.
Im Port de l'Epervière bei Valence schließlich sah alles auf den ersten Blick
ganz vernünftig aus. Überall wehte lustig "le tricolore" und die
Mannschaft war eigentlich sehr zuversichtlich - leider etwas zu optimistisch.
Versuchen Sie mal einem Boots-Mechaniker am 14. Juli zu erklären, was Sache ist
im Maschinenraum. "Mon dieu, monsieur le
capitain, grand malheur, oh la la ...." Es war wirklich nicht unser Tag! Dafür
gönnten wir uns dann am Abend auf dem Achterdeck ein Gläschen Pastis und ein
schönes Feuerwerk zum französischen Nationaltag.
Doch irgendwann im Leben hat bekanntlich jeder mal das Glück auf seiner Seite.
Der am Nachbarsteg liegende Belgier bot uns freundlich seine Hilfe an. Die
zerlegte Kupplung hatte er sofort erkannt – kein Kunststück, als
VETUS-Vertreter. Die notwendigen Ersatzteile waren dann schnell geordert und
mit dem Mietwagen an der Côte d’Azur abgeholt. Den Aluwinkel ließen wir
irgendwo auf dem Lande schweißen (1a Arbeit übrigens!) und die abgerissenen
Bolzen haben wir angebohrt und herausgedreht. Das passende Werkzeug mit
Linksgewinde heißt übrigens: "extracteur" ... oder so ähnlich.
Etwas zum Nachdenken und Schmunzeln: Wellenkupplung öffnen, 4-Zylinder-Diesel
etwa 15 cm anheben, abgerissene Schrauben aus Motorblock ausbohren, Maschine
wieder absetzen und supergenau ausrichten, das alles bei über 35°C in einer
"Telefonzelle", und ohne Spezialwerkzeug. Welch ein Abenteuer!
Beide Maschinen liefen bei Marschfahrt ruhig und mit halber Kraft, wir kamen
wieder zügig voran. Das Stimmungs-barometer zeigte steil nach oben.
Nach Sète kam auch immer mehr Charterverkehr
auf. Es kurvten jede Menge dieser führerschein-
freien Penichettes und Locaboats herum, längere
Wartezeiten an den Schleusen und haarsträubende
Manöver der Freizeitskipper eingeschlossen. Kurz
nach Béziers noch die elende Schufterei an den - "Je
voudrais une bouteille de vin rouge, S'il vous plaît!" -
Nach drei Tagen Zwangspause war die Pedro wieder flott. Erleichtert verließen
wir Valence und liefen ab in Richtung Süden, Richtung Sonne und Meer. Auf der
Rhône wird der Sportbootverkehr genau überwacht. Alle Boote werden ab der
ersten Schleuse mit Namen, Zulassung, Fahrtziel und Mannschaft registriert und
intern weitergemeldet. Die hatten uns also schon vermißt, weil wir in
Port de l'Epervière etwas länger fest lagen.
Vor uns lagen nun die riesigen Rhône-
Staustufen mit ihren beeindruckenden
300 m-Kammern und ihren gewaltigen
Fallhöhen von über 25 m. Aber alle sind
mit Schwimmpoller ausgerüstet und daher
leicht zu bewältigen.
Berufsschiffe begegneten uns selten,
die wenigen Sportboote waren alle auf
der Durchreise, so wie wir.
Unseren Zeitplan hatten wir bald wieder aufgeholt. Nördlich von Arles mußten
wir "le Rhône" wieder verlassen, es ging beschaulich weiter auf der
schmalen aber sehr romantischen Petit Rhône. Die Écluse de St. Gilles mit nur
30 cm Höhenunterschied machte uns den Weg frei in den Canal du Rhône au Sète.
Durch die Weiten der Camargue vorbei an Flamingos, wilden Pferden und
schillernd bunten Bienenfressern. Kein bißchen Schatten weit und breit,
trotzdem ein unvergeßliches Erlebnis. Sonne pur und es roch verdammt nach Meer.
In Frontignan gab es eine Eisenbahn-Zugbrücke, die leider nur am späten
Nachmittag die Durchfahrt für Boote freigab. Also festmachen, warten und Kaffee
trinken auf dem Achterdeck.
Vorbei an Sète durch das salzige Bassin de Thau und bei Les Onglous in den
Canal du Midi, wo es dann endlich wieder Schatten gab durch die hohen Bäume an
beiden Ufern.
"Neuf Écluses de Foncérannes". Bei Colombiers
durch den 161 m langen Tunnel de Malpas und
dann noch die niedrige Brückendurchfahrt in
Le Somail. Nur noch etwa eine halbe Stunde Fahrt
bis zum neuen Liegeplatz für die nächsten Jahre.
Plötzlich des Käptn Heri’s laute Stimme: "Steuerbord-Fender raus, klar bei
Vor- und Achterleine!" Geschafft! Ende einer großen Fahrt. Und am gleichen
Abend noch ein viel zu langer Besuch bei Eric im Café du Port um die Ecke auf ein
klitzekleines Gläschen Wiedersehen-Wein zur Begrüßung:
So macht
Bootsurlaub richtig Spaß!
Im gleichen Sommer wurden noch alle Gummilager und Maschinenträger an beiden
Maschinen durch Original-Ersatzteile ausgetauscht. Die Rückfahrt nach
Deutschland im
Sommer 2003 auf dem gleichen Weg verlief völlig störungsfrei.
Dadurch war wesentlich mehr Zeit für Pausen und die vielen Sehenswürdigkeiten
links und rechts der Route.
Einige Daten der Reise durch Frankreich:
Hinfahrt: | 26. Juni bis 21. Juli 1999 |
Rückfahrt: | 04. bis 31. August 2003 |
Schleusen+Entfernungen: | |
Neckar bis Mannheim | 9 Schleusen auf 86 km |
Rhein bis Niffer | 10 Schleusen auf 343 km |
C du Rhône au Rhin | 114 Schleusen auf 237 km |
Saône bis Lyon | 5 Schleusen auf 219 km |
Rhône bis Arles | 12 Schleusen auf 279 km |
Petit Rhône | 21 km |
C du Rhône au Sète | 1 Schleuse auf 71 km |
Etang de Tau | 17 km |
C du Midi bis Ziel | 18 Schleusen auf 83 km |
Zusammen | 169 Schleusen |
Entfernung einfach | 732 sm = 1356 km |
Diesel für eine Richtung | ca. 1200 ltr bei 500 ltr Kapazität |
Kartenmaterial | Neckar und Rheinhandbuch |
Guide Vagnon 2, 6, 5 + 7 | |
Navicarte 32, 10,16 + 11. |
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